Markenrecht auf den Spuren großer Dichter und Denker?
Obszön und Verstoß gegen die guten Sitten? Europäisches Gericht erkennt Fack ju Göhte nicht als Marke an. Das Bundespatentgericht meint: „Arschlecken24“ geht auch nicht!
Außerhalb der großen Strafverfahren wie etwa des „Horrorhauses von Höxter“ oder großer Wirtschaftsstrafverfahren vor Gericht, die einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden, gibt es selten Urteile, die von einer breiteren Medienöffentlichkeit wahrgenommen werden. Dies gilt schon allgemein, umso mehr für das manchmal als trocken empfundene Gebiet des Markenrechts und des Designrechts. Ein Gegenbeispiel im Designrecht war das vor einigen Jahren geführte Verfahren „Paula gegen Flecki“ bzw. Dr. Oetker gegen Aldi.
Eine weitere Ausnahme bildet – frei nach dem Spruch „Sex sells“ – die nunmehr bekannt gewordene Entscheidung des EU-Gerichts zur Markeneintragung des Begriffs „Fack ju Göhte“. Dieser Titel eines Films rund um den attraktiven Hauptdarsteller Elyas M’Barek, – mittlerweile 2017 im dritten Teil in die Kinos gelangt – und man könnte den Eindruck gewinnen noch lange nicht am Ende des Hypes angelangt – ist als erfolgreichster Film des Jahres 2013 in Deutschland mittlerweile allgemein bekannt.
Da die Sicherung von geistigem Eigentum häufig insbesondere über Begrifflichkeiten und Kennzeichen erfolgt, ist zur Vermeidung von Trittbrettfahrern von Seiten des Produktionsunternehmens Constantin Film versucht worden, die Bezeichnung „Fack ju Göhte“ als Unionsmarke beim EUIPO eintragen zu lassen.
Nun könnte man meinen, dass dies aufgrund der eigentlich Problemlosen der fehlenden Unterscheidungskraft oder einer Freihaltebedürftigkeit – typischen, eher als trocken wahrgenommenen Ursachen einer Zurückweisung Markenablehnung – kein Problem darstellen dürfte.
Das europäische Gericht hat aber einen anderen Aspekt herausgegriffen, der – zwar selten – aber dennoch von Bedeutung für eine Markeneintragung ist.
Eine Marke kann sowohl nach deutschem als auch nach Unionsmarkenrecht nicht eingetragen werden, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt.
Nun ist der Begriff der guten Sitten wandelbar und insbesondere einer, wie man meinen möchte, geradezu vollständigen Verwässerung unterworfen. Heutzutage wird nahezu jeder noch vor wenigen Jahren undenkbare Satz als hinnehmbar oder gar normal betrachtet. Nahezu alles ist „geiler Scheiß“ oder von ähnlichem Format. Keine Beleidigung zu hart, als dass sie nicht hundertfach bei Facebook zu lesen wäre.
Dies hindert aber die Markenämter und die entsprechenden übergeordneten Gericht nicht, dennoch solche Begrifflichkeiten einer auch inhaltlich sittlichen Überprüfung zuzuführen.
Dies ist allerdings – anders als man der Berichterstattung meint entnehmen zu können – keinesfalls neu.
Eines der herausragenden Beispiele bildet neben der genannten Entscheidung des europäischen Gerichts aus Januar 2018, die frühere Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 09.02.2011 mit dem Aktenzeichen 26 W (pat) 31/10 „Arschlecken 24″.
Das Bundespatentgericht hat dort – ausgehend davon, dass der Begriff der guten Sitten dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ entspricht und dabei nicht auf eine Mehrheit im rechnerischen Sinne, sondern darauf abzustellen ist, ob eine Marke geeignet ist, das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig wirkt, oder eine grobe Geschmacksverletzung enthält. – entschieden, dass eine sittliche Anstößigkeit und grobe Geschmacksverletzung stets im Hinblick auf die betroffenen Waren zu beurteilen sei. Maßgeblich sei dafür weder die übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige Meinung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers.
In diesem Zusammenhang hat das Bundespatentgericht bereits damals die angemeldete Marke „Arschlecken 24“ für die beanspruchten Waren (unter Anderem Bekleidung) für nicht eintragungsfähig gehalten, weil dieses Zeichen gegen die guten Sitten im Sinne der dort geltenden Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG verstößt.
Beachtlich ist die durch das Gericht ausdrücklich der Literatur entnommene Begründung. Das Gericht hat nämlich wörtlich folgendes ausgeführt:
Einer Eintragung des angemeldeten Zeichens steht das Schutzhindernis des § Abs. 2 Nr. 5 MarkenG entgegen. Das Zeichen verstößt gegen die guten Sitten. Der Begriff der guten Sitten ist der sittlichen Auffassung, dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ (vgl. , 232) zu entnehmen. Dabei kommt es nicht auf eine Mehrheit im rechnerischen Sinne, sondern darauf an, ob eine Marke geeignet ist, das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung enthält (BGH , 137 – Schweizer). Die sittliche Anstößigkeit oder grobe Geschmacklosigkeit ist stets im Hinblick auf die betroffenen Waren zu beurteilen. Maßgeblich hierfür ist die weder übertrieben laxe, noch besonders feinfühlige Meinung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. BPatG PAVIS PROMA – Dalai Lama; BPatG Mitt. 1983, 156 – Schoasdreiber; BPatG PAVIS PROMA vom 21.09.2005 – – Ficke). Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verkehrsauffassung Veränderungen unterliegt und von einer fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt ist. Gleichzeitig ist die Frage zu stellen, ob der Verkehr sich daran stören würde, wenn das Zeichen durch die Eintragung den Anschein einer amtlichen Bestätigung erhielte (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn. 278 zu § 8). Von der Schutzunfähigkeit eines Zeichens ist insbesondere dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Verkehrs durch geschlechtsbezogene Angaben verletzt wird (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Auflage, § 8 Rdn. 612).
Bei Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs ist die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren nicht eintragungsfähig.
Im Deutschen etwa seit 1500 in Gebrauch, ist der im Markenwort enthaltene Imperativ bzw. Indikativ durch die in Johann Wolfgang von Goethes Götz von Berlichingen (1773, Belagerungsszene im 3. Akt) erwähnte, inhaltlich, stilistisch und pragmatisch schockierende Beleidigung gegenüber dem Boten des Kaisers bekannt geworden. Im Imperativ bzw. Indikativ wird der Markenbestandteil auch heute in der deutschen Umgangssprache (vgl. Pons, Dr. Küpper, Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, 1997) als derbe Form provokativer Abweisung verwendet, in der zugleich Ablehnung oder Auflehnung gegen eine im Verhältnis zum Sprecher mächtigere, einflussreichere Person oder Institution zum Ausdruck kommen können. In dieser Eigenschaft hat das Markenwort wenig von seiner durch die gewählte derbe Form verursachten Schockwirkung eingebüßt und wird von einem beachtlichen Personenkreis nach wie vor als sittlich anstößig empfunden.Sittlichen Anstoß erregt der angemeldete Wortbestandteil deshalb, weil er zugleich eine Sexualpraktik zu beschreiben geeignet ist, deren Erwähnung das Sittlichkeitsgefühl eines erheblichen, zu respektierenden Personenkreises verletzt, wenn dies durch den gewählten vulgären Ausdruck geschieht (vgl. hierzu BGH , 595 – Busengrapscher; BPatG PAVIS PROMA, – Schenkelspreizer; BPatG PAVIS PROMA – Penistrillerpfeife). Dieser Umstand steht der Veröffentlichung des angemeldeten Ausdrucks als Bestandteil einer Marke entgegen, für welche eine Urkunde mit dem Bundesadler als Zeichen hoheitlicher Anerkennung verliehen wird. Eine Kennzeichnung der beanspruchten Waren – Kleidungsstücke, Schmuckwaren und alltägliche Gebrauchsgegenstände – mit dem angemeldeten Zeichen brächte zudem eine Perpetuierung des als gesprochenes Wort flüchtig bleibenden Ausdrucks mit sich. Die dem Markenwort angefügte Zahl „24? verstärkte diese Wirkung noch. Denn sie weist im Zusammenhang mit dem ihm vorangestellten Imperativ darauf hin, dass die derbe Form rund um die Uhr, d. h. dauerhaft zum Ausdruck gebracht werden soll (vgl. BPatG PAVIS PROMA – medi-24 m. w. N). Aus diesen Gründen verbleibt es bei einer Zurückweisung des angemeldeten Zeichens.
Hieraus lässt sich erlesen, dass selbst das echte von Goethe stammende Zitat im Imperativ „Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“ im Dritten Aufzug des Götz von Berlichingen – bekannt als „Schwäbischer Gruß“ durch die Gerichte noch als hinreichend anstößig empfunden wird, um zumindest einer Markeneintragung in Gestalt der Abwandlung als Marke „Arschlecken 24“ entgegen zu stehen.
Insoweit ist die Aufregung, die der jetzt erfolgten Versagung der Eintragung „Fack ju Göthe“ als Marke der Constantin Film entgegengebracht wird, für den mit dem Markenrecht täglich umgehenden Rechtsanwalt wenig nachvollziehbar.
Trotz der immer weiter verwässernden begrifflichen Moralvorstellungen bis hin zu einer Erlaubnis nahezu sämtlicher Begrifflichkeiten auch bei der Titulierung des Gegenübers auf Plattformen wie Facebook, die den Gesetzgeber sogar dazu brachten, mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen „hatespeech“ vorzugehen, gibt es immer noch Grenzen der Eintragungsfähigkeit von Marken, die nicht nur aus fehlender Unterscheidungskraft oder einem Freihaltebedürfnis herrühren, sondern eben auch der Verletzung der guten Sitten – auch wenn man meinen könnte, solche würden bestenfalls noch auf dem Papier existieren.
Sowohl das echte als auch das hergeleitete Bezugnehmen auf große Dichter und Denker wie etwa Goethe und Schiller bedeuten noch lange nicht, dass alles in ein öffentliches Register eingetragen wird.
Einem möglicherweise beleidigenden Begriff ist eben auch aus Sicht des Bundespatentgerichts die Würdigung auf einer Markenurkunde versehen mit einem Bundesadler zu versagen. Dies gilt auch für die durch das europäische Markenamt EUIPO verliehene Unionsmarken. Da hilft dann auch die Bezugnahme auf den großen Namen eines Johann Wolfgang von Goethe nicht weiter.
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