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Keine Beurteilung durch Beamte in niedrigerem Statusamt

Nach einer aktuellen obergerichtlichen Entscheidung dürfen Beamte grundsätzlich nicht von einem anderen Beamten in einem niedrigen Statusamt dienstlich beurteilt werden, da regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Erstbeurteiler, der ein um mehrere Stufen niedrigeres Statusamt inne hat als die zu beurteilende Person, in der Lage ist, diese – gemessen an deren höheren Statusamt und im Verhältnis zu den Leistungen anderer Beamten mit demselben höheren Statusamt – sachgerecht zu beurteilen.

In der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis vom 23.08.2017 (Az. 1 B 454/17) hatte sich ein Antragsteller um eine Beförderungsstelle beworben und nach der Ablehnung vorläufigen Rechtsschutz gesucht. Nachdem das zuständige Verwaltungsgericht seinen Antrag abgelehnt hatte, hatte er in der zweiten Instanz Erfolg.

Rechtsschutz im Konkurrentenrechtsstreit

Der unterlegene Bewerber kann innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Konkurrentenmitteilung einen Antrag auf einstweilige Anordnung zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs stellen. Dafür muss er sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Der Anordnungsanspruch ist regelmäßig gegeben, wenn der Dienstherr beabsichtigt, den ausgewählten Konkurrenten unmittelbar und zeitnah zu befördern. Der Anordnungsanspruch ist regelmäßig gegeben, wenn die zu Lasten des Antragstellers getroffene Auswahlentscheidung ihn in seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgendem Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung verletzt und seine Auswahl in einem erneuten Auswahlverfahren zumindest möglich erscheint.

Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruch durch fehlerhafte dienstliche Beurteilung

Die dienstliche Beurteilung eines Beamten hat mehrere Funktionen. Einmal soll sie die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten sicherstellen. Andererseits soll sie dort, wo personalentscheidende Stellen Beförderungsdienstposten zu vergeben haben, zu einer Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung beitragen, wie sie in Art. 33 Abs. 2 GG und im Anschluss hieran gemäß § 9 BeamtStG bzw. § 9 BBG verlangt wird. Die dienstliche Beurteilung hat entsprechend den sog. „Einsatzzweck“ und den sog. „Auslesezweck“, welcher den „Förderungszweck“ einschließt. Die dienstliche Beurteilung wird in einem Beurteilungsverfahren erstellt, welches Dienstherren im Rahmen ihrer organisatorischen Gestaltungsfreiheit meist durch Richtlinien regeln. Der Dienstherr kann bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung wahrnehmen lässt. Zumeist ist ein Vorgesetzter als Erstbeurteiler eingesetzt.

In dem besonderen Fall, den das OVG Saarlouis hier zu entscheiden hatte, wurde kein Vorgesetzter aufgefordert, die dienstliche Beurteilung als Erstbeurteiler zu verfassen. Die Erstbeurteilerin befand sich in einem Statusamt von A 9 VZ+Z BBesO, während der Antragsteller der Besoldungsgruppe 12 angehörte. Der Dienstherr wies jedoch darauf hin, dass die Erstbeurteilerin beurlaubt sei und eine nach der Entgeltgruppe T 7 bewertete Tätigkeit ausübe, welche der Besoldungsgruppe A 11 entspreche. Der Dienstherr ging hier davon aus, dass die Befähigung dieser Erstbeurteilerin nicht etwa aus dem Statusamt folge, sondern aus tatsächlichen Kenntnissen von Aufgaben aus einem bestimmten Bereich.

Das OVG Saarlouis teilte die Ansicht des Dienstherren nicht. Vielmehr war es der Ansicht, dass der Dienstherr bei der Bestimmung, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung wahrnehmen lässt, nicht sachgerecht vorgegangen war. Denn der sachliche Zusammenhang der dienstlichen Beurteilung mit der Wahrnehmung von Dienst- und Fachaussicht dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Das vom Dienstherren durch den oder die Beurteiler abzugebende Werturteil darüber, ob und inwieweit der beurteilte Beamte den zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn entspricht, enthält eine konkretisierende Bestimmung dieser zahlreichen Anforderungen, die gleichfalls in weitgehender Ermessens- und Beurteilungsfreiheit des Dienstherren liegt.

Wenn solch ein sachlicher Zusammenhang der Dienst- und Fachaufsicht mit der dienstlichen Beurteilung gegeben ist, muss dies grundsätzlich diejenigen Beamten als Beurteiler ausschließen, die ein niedrigeres Statusamt inne haben, als der zu beurteilende Beamte. Denn solche Beurteiler üben im Regelfall weder Dienst- noch Fachaufsicht aus, noch sind sie in der Lage, die Leistung des Beamten gemessen an dessen Statusamt, das sie selbst nicht inne haben und dessen Anforderungen sie nicht notwendig kennen, zu bewerten und gleichzeitig die Leistungen ins Verhältnis zu den Leistungen anderer Beamter mit demselben – höheren – Statusamt zu setzen. Denn Beamten im niedrigeren Statusamt fehlt im Regelfall der Überblick über die Leistungsfähigkeit der in der Behörde beschäftigen Beamten einer höheren Besoldungsgruppe (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 23.08.2017 – 1 B 454/17, Rn.9; vgl. auch OVG Münster, NVWZ 2017, 1558).

Besonderheiten in Postnachfolgeunternehmen

Während es für viele Beamte eine Selbstverständlichkeit ist, dass eine vorgesetzte Person ihr dienstlicher Beurteiler ist, ist es beispielsweise für die Beamten bei Postnachfolgeunternehmen durchaus üblich, dass sie aufgrund einer sogenannten „Insichbeurlaubung“ in als Angestellte tätig sind und die anhand der Beurteilung erkennbaren Erstbeurteiler den Beteiligten völlig unbekannt sind. Die Erstbeurteilung wird in diesen Fällen ausschließlich basierend auf Stellungnahmen des (ebenfalls angestellten) unmittelbaren Vorgesetzten vorgenommen. Die Überprüfung der dienstlichen Beurteilung – innerhalb der Anfechtung einer Beförderungsentscheidung oder auch beim Vorgehen gegen die dienstliche Beurteilung an sich – sollte also stets eine Prüfung beinhalten, wer der Beurteiler ist und welches Statusamt er inne hatte.

Herr Rechtsanwalt Brunnert und Frau Rechtsanwältin Siebe vertreten zahlreiche Beamte – auch der Postnachfolgeunternehmen – in Beförderungs- wie auch Beurteilungsverfahren. Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir auch Ihnen gerne beratend und vertretend zur Seite.

Über den Autor

Autorenbild Rechtsanwältin und Notarin Astrid Siebe
Astrid Siebe

Frau Rechtsanwältin Siebe ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie ist besonders spezialisiert im öffentlichen Dienstrecht, wobei sie neben Beamten auch Arbeitnehmer und Personalräte vertritt.

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