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Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils

Der BGH hat in einem Urteil, das Bestreben von Müttern und Vätern, die ihr Kind nach einer Trennung im gleichen Umfang wie der Ex-Partner betreuen wollen, in gewissem Maße bestärkt. Er hat entschieden, dass das sog. Wechselmodell – das Kind lebt im Wechsel je eine Woche beim Vater und eine Woche bei der Mutter – unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen eines Elternteils durchgesetzt werden kann.
Bislang haben die Familiengerichte von einer Anordnung des Wechselmodells im Rahmen von Umgangsverfahren grundsätzlich abgesehen, wenn ein Elternteil hiermit nicht einverstanden war. Insoweit war bis zur Entscheidung des BGH umstritten, ob durch das Familiengericht überhaupt eine Anordnung zur Durchführung eines Wechselmodells erfolgen kann. Nach Auffassung der Mehrzahl der Oberlandesgerichte war diese Frage zu verneinen. Man ging vielmehr davon aus, dass das Gesetz eine solche Regelung nicht vorsieht und diese daher nur bei Konsens der Eltern möglich ist.
Dieser Auffassung hat der BGH in seiner aktuellen Entscheidung vom 01.02.2017 (XII ZB 601/15) widersprochen und deutlich gemacht, dass die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist. Das Gesetz enthalte keine Regelung dazu, in welchem Umfang ein Umgang maximal angeordnet werden kann. Insbesondere lasse sich aus § 1687 BGB keine gesetzliche Festlegung auf das sog. Residenzmodell – der nicht betreuende Elternteil hat das Kind in der Regel alle 2 Wochen am Wochenende und zu bestimmten Ferienzeiten bei sich – entnehmen.

Die Entscheidung des BGH bedeutet allerdings nicht, dass sich in der Praxis tatsächlich viel ändern wird oder muss – lediglich die Begründungen werden sich verschieben. Insoweit hat der BGH sehr deutlich gemacht, dass oberster Maßstab für die Anordnung eines Wechselmodells nicht die Interessen der Eltern, sondern das Wohl des betroffenen Kindes ist. Das Wechselmodell ist daher im Streitfall (nur) dann – gegen den Willen eines Elternteils – anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Dies ist im Zweifel nur durch persönliche Anhörung des Kindes und ggf. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln.

Voraussetzung für ein funktionierendes Wechselmodell ist dabei auch immer, dass das Kind eine auf sicherer Bindung beruhende, tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen hat und auch ein entsprechender Wunsch des Kindes besteht. Daneben können auch äußere Umstände, wie räumliche Entfernung der Elternhaushalte, Erreichbarkeit von Schulen und Betreuungseinrichtungen für die gerichtliche Entscheidung von Bedeutung sein. Verteilen sich die Wohnsitze der Eltern auf Hamburg und München dürfte die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells also weiterhin eher unwahrscheinlich sein.
Nach Auffassung des BGH ist weitere Voraussetzung für das Wechselmodell eine bestehende Kommunikations – und Kooperationsfähigkeit der Eltern. Bei einem (unabhängig von dem Streit um das Wechselmodell) erheblich konfliktbelasteten Verhältnis der Eltern geht auch der BGH (weiterhin) davon aus, dass die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegen dürfte.
Da das Wechselmodell von einigen Eltern(teilen) häufig auch deshalb präferiert wird, weil man damit die Erwartung verbindet, wegen der Betreuung keinen Barunterhalt für das Kind leisten zu müssen, sei an dieser Stelle noch der Hinweis erlaubt, dass sich an der grundsätzlichen Barunterhaltspflicht auch bei Einigung auf ein Wechselmodell nichts ändert. Vielmehr wird in diesem Fall der Bedarf des Kindes nach der Düsseldorfer Tabelle aus dem zusammengerechneten Einkommen der Kindeseltern ermittelt und um die durch die infolge der Doppelbetreuung entstehenden Mehrkosten erhöht. Der sich ergebende Gesamtbedarf wird nach Abzug des Kindergeldes dann entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkommen auf die Kindeseltern verteilt. Dies bedeutet, dass insbesondere bei erheblichen Einkommensunterschieden der Eltern auch bei jeweils hälftiger Betreuung die Zahlungspflicht des besser verdienenden Elternteils grundsätzlich bestehen bleibt; vgl. hierzu BGH, Beschluss v. 22.1. 2014, XII ZB 185/12.

Über den Autor

Autorenbild Rechtsanwältin und Notarin Marion Schmidt
Marion Schmidt

Frau Rechtsanwältin & Notarin Schmidt betreut seit über 20 Jahren Arbeitnehmer und Mitarbeitervertretungen im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts. Sie ist außerdem Ihre anwaltliche Ansprechpartnerin in allen erb- und familienrechtlichen Angelegenheiten. Als Notarin entwirft und beurkundet sie für Sie Testamente, Erb- und Eheverträge und unterstützt auch bei Erbscheinsanträgen, Erbausschlagungen sowie Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen.

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