Vor einem Gerichtsverfahren erfolgt im Markenrecht, Urheberrecht und Patentrecht meist eine anwaltliche Abmahnung mit Aufforderung zur Unterlassung von Verstößen und Übernahme der Abmahnkosten. Wenn diese Abmahnung nicht erfolgt, hat der Kläger das Problem, dass er die Kosten eines Verfahrens selbst tragen muss, selbst wenn er den Prozess gewinnt. Er trägt dann sogar die Kosten des Beklagten, obwohl der den Prozess verloren hat.
Abmahnung und Unterlassungserklärung
Diese Abmahnung hat den Zweck, dem Verletzer die Möglichkeit zu geben, den Streit um einen Unterlassungsanspruch außergerichtlich zu lösen, ohne dass hierzu ein gerichtliches Verfahren notwendig wird. Ein solches gerichtliches Verfahren wirft deutlich höhere Kosten auf, so dass diese Abmahnung nach der Konstruktion der Rechtsprechung und des Gesetzes eine Handlung zu Gunsten des Abgemahnten ist. Auch wenn der Abgemahnte dies sicherlich anders empfinden wird, vermeidet eine solche Abmahnung die gerichtliche Inanspruchnahme und gibt dem Verletzer die leichtere Chance, ohne eine solche gerichtliche Inanspruchnahme, den Streit beizulegen.
Gerichtliche Inanspruchnahme ohne Abmahnung
Bei einer solchen Vorgehensweise geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage keine Veranlassung gegeben hat, da er bei Vornahme der vorherigen Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgegeben hätte und damit ein solcher gerichtlicher Streit nicht erforderlich gewesen wäre. Diese Rechtsfolge leitet die Rechtsprechung aus § 93 ZPO ab:
„Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.“
Fehlende Abmahnung – Landgericht Hamburg, Beschluss vom 30.12.2016, 315 O 135/16
Vielmehr hat es mit Beschluss vom 30.12.2016 entschieden, dass der Antragsteller die gesamten Kosten des Verfahren trägt. Den Streitwert hat das Gericht wie von der Antragstellerseite geltend gemacht auf 250.000,00 € festgesetzt. Die gesamten Kosten trägt aber nicht der Beklagte, sondern der Kläger. Auch die Anwaltskosten den Beklagten!
Nach dem bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es der Billigkeit, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt. Dies folgt unbeschadet der Frage, ob materiell eine Patentverletzung glaubhaft gemacht ist oder ob die Dringlichkeit gegeben ist bzw. dadurch entfallen ist, dass die Antragstellerin längere Zeit Kenntnis von der Patentverletzung hatte und zuwartete, jedenfalls daraus, dass die Antragsgegnerin vor Stellung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht abgemahnt wurde und sich deshalb die in der Antragserwiderung abgegebene Unterlassung- und Verpflichtungserklärung als sofortiges Anerkenntnis in der Sache darstellt. Der Antragsgegnerin kommt deshalb die Regelung des § 93 ZPO zu Gute, die im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO zu berücksichtigen ist. Die Antragsgegnerin hat mit 2 zeitgleich eingegangen Schriftsätzen die Unterlassungserklärung trotz des angekündigten Abweisungsantrag „sofort“ abgegeben. Eingang beider Schriftsätze erfolgte laut Eingangsstempel der gemeinsamen Annahmestelle beim Amtsgericht Hamburg am 29.4.2016 zwischen 7-8 Uhr.
Unstreitig hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin nicht abgemahnt. Eine solche Abmahnung war vorliegend nicht entbehrlich. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Antragstellerin zur behaupteten Vorsätzlichkeit der Patentverletzung durch die Antragsgegnerin schlüssig und glaubhaft gemacht ist, jedenfalls war im Streitfall eine Abmahnung nicht entbehrlich. In Patentsachen kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners, die insbesondere durch eine vorherige Abmahnung zu erfolgen hat, nur in Ausnahmefällen in Betracht, die in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben sind, zum Beispiel bei besonderer Dringlichkeit wegen eines nur wenige Tage dauernden Messeauftritts einer ausländischen Antragsgegnerin im Inland oder der notwendigen Beschlagnahme zum Zwecke der Beweiserhebung nach § 139c Patentgesetz. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend erkennbar nicht. Aus dem Grunde hat auch die Kammer mit Verfügung ihres Vorsitzenden vom 14. April 2016 die Antragsschrift der Antragsgegnerin zur Stellungnahme übersandt. Das grundsätzliche Erfordernis einer Abmahnung folgt in Patentsachen daraus, dass zum Verfügungsgrund nicht nur das Zeitmoment gehört, wie beispielsweise in Wettbewerbs- oder Kartellsachen, sondern eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist, ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung geboten und vertretbar ist. Diese Interessenabwägung erfordert – bis auf die genannten Ausnahmefälle – grundsätzlich die Anhörung der Gegenseite, insbesondere in einer Abmahnung. Es entspricht der ständigen Rechtsschreibung der beiden Patentkammern des hiesigen Landgerichts und auch des Hanseatischen Oberlandesgerichts, dass eine einstweilige Verfügung in Patentsachen ohne vorausgegangene gegebenenfalls auch kurzfristige Abmahnung im Regelfall nicht zu erlassen ist. Wenn die Antragstellerin darauf verzichtet – und dies darf sie selbstverständlich – trägt sie das Risiko eines sofortigen Anerkenntnisses und der damit verbundenen Kostenfolge aus § 93 ZPO.
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