In einem nun veröffentlichten Urteil vom 22.02.2017 bestätigt der Bundesgerichtshof die ganz umfassende Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Das Urteil mutet dem Versicherungsnehmer eine langwierige Prüfung im Schadensfall zu, bei der das Auskunftsinteresse der Versicherung ständig gegenüber dem Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung gegeneinander abgewogen werden soll und – mit ungewissem Ausgang – durch ein Hin und Her ein Verfahren mit ungewissem Ausgang vorgibt.
Versicherung beruft sich auf fehlende Fälligkeit
Hintergrund der Entscheidung, die ich Ihnen als Fachanwalt für Versicherungsrecht gerne im Detail vorstellen möchte, war die Ablehnung von Versicherungsleistungen durch ein großes Versicherungsunternehmen. Wie in zahlreichen Fällen, die auch von dieser Kanzlei betreut werden, berief sich die Versicherung auf die fehlende Fälligkeit der Versicherungsleistung und verwies auf § 14 Abs. 1 VVG. Danach sind Versicherungsleistungen erst mit der Beendigung der Leistungsprüfung an den Versicherungsnehmer zu zahlen. Im Rahmen der Leistungsprüfung trifft die Versicherung üblicherweise Feststellungen zum Versicherungsfall und erhebt notwendige Daten.
Beim Eintritt von Berufsunfähigkeit muss der Versicherungsnehmer also z.B. Auskunft über seine Erkrankung geben. Weiter hat er mitzuteilen, welchen Beruf er vor Eintritt der Erkrankung ausgeübt hat. Insofern verweise ich gerne auf meinen Blog-Artikel vom 29.03.2017.
Regelmäßig zum ersten Mal interessiert sich die Versicherung nach Eintritt eines Schadens wirklich für gesundheitliche Aspekte beim Versicherungsnehmer. Während die Angaben des Versicherungsnehmers bei Abschluss des Versicherungsvertrages vom Versicherer nur zur Kenntnis genommen werden, wird von dem Versicherungsnehmer nach Eintritt des Schadensfalles fast immer ein Nachweis verlangt. Er hat also nicht nur Auskunft über die ihn behandelnden Ärzte zu erteilen, sondern muss auch die Krankenakte, Arztberichte und Operationsergebnisse vorlegen. Vor Gericht und somit quasi auch im Rahmen der Schadenprüfung trifft ihn die volle Nachweispflicht.
Erhebungen und Auskünfte auch zur Feststellung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung
In unserer rechtsanwaltichen Praxis ist festzustellen, dass eine solche umfassende Auskunft und Hergabe von Daten nicht selten dazu führt, dass diese mehr oder weniger deutlich von den seinerzeitigen Angaben bei Vertragsschluss abweichen. Die Versicherung beruft sich nach Erhalt der Informationen dann auf ihr Recht zum Rücktritt oder zur Anfechtung und verweigert die dem Versicherungsnehmer zustehende Versicherungsleistung. Der BGH hat dieses Vorgehen nunmehr umfassend gebilligt. Er begründet seine Auffassung mit Wortlaut und Zweck der §§ 14 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VVG. Letztere Vorschrift ermöglicht es den Versicherern eben nach dem Eintritt des Versicherungsfalles Auskünfte von seinem Vertragspartner verlangen zu können.
Die Rechte des Versicherungsnehmers
Wie kann sich der einfache Versicherungsnehmer hier noch zur Wehr setzen? Der Bundesgerichtshof verweist zwar auf § 213 VVG und setzt sich in seiner Entscheidung auch mit dem durch das Grundgesetz geschützten Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung auseinander. Für die Rechtswahrung und die praktische Durchsetzung dieses Rechts gibt der BGH allerdings nur vage Hinweise. Er billigt dem Versicherungsnehmer insofern zu, dass dieser zunächst eine weniger konkret gehaltene Auskunft erteilt müsste. Erst wenn durch diese allgemein gehaltene Auskunft erste Informationen vorliegen, kann die Versicherung auf eine Schweigepflichtentbindungserklärung, die die Einholung von Arztberichten ermöglicht, bestehen.
Dies wird dem Versicherungsnehmer natürlich überhaupt nicht weiterhelfen. Im Gegensatz wird dieses Ping-Pong-Spiel die Prüfung im Schadensfall weiter verzögern. Eine Tatsache, die für die auf die Versicherungsleistung dringend angewiesenen Versicherungsnehmer (Rente ist eine Lohnersatzleistung!) ohnehin fast stets unerträglich ist. Kommt noch der Fall einer psychischen Erkrankung hinzu, sind diese zermürbenden Auseinandersetzungen mit der Versicherung auch aus krankheitsbedingten Umständen gar nicht mehr leistbar.
Auch die Beantwortung der Frage, wann konkret weitere Auskunft oder eine Schweigepflichtentbindungserklärung für einen bestimmten Arzt oder eine ausgewählte Institution verweigert werden kann, ist nahezu unmöglich. Stellt sich der Versicherungsnehmer quer und weigert sich, fährt er ein hohes Risiko. Ein Gericht könnte seinen Leistungsanspruch nach etlichen Monaten, die ein gerichtliches Verfahren in Anspruch nimmt, abweisen. Er könnte sich dann zwar erneut entscheiden, die Auskunft doch noch zuzulassen, hätte allerdings Zeit und Prozesskosten verloren.