Satire darf alles – dennoch nichts Falsches!
Im Jahr 2016 ist aufgrund eines Fernsehbeitrages und damit sogar einhergehender diplomatischer Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und der Türkei eine intensive Diskussion um die Frage geführt worden, was Satire darf und was Satire nicht darf.
Dieses Lied befasste sich mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und seiner Vorgehensweise gegen die Opposition und Medien in der Türkei. Über dieses Lied soll Herr Erdogan verärgert gewesen sein und hat dagegen rechtliche Schritte unternommen. In den Medien kursiert seitdem die Erkenntnis, dass jede Kritik am türkischen Präsidenten von diesem als persönliche Beleidigung aufgefasst und verfolgt wird.
Dies wurde wiederum vom Satiriker Jan Böhmermann in dessen Sendung „NEO Magazin Royal“ vom 31.03.2016 aufgenommen, als dieser unter dem Hinweis darauf, dass der „Heute Show“ Beitrag ganz sicher nicht persönlichkeitsrechtsverletzend sei, ankündigte, nun zu zeigen, was persönlichkeitsrechtsverletztend gewesen wäre. Sodann folgt ein erkennbar massiv überzeichnetes Gedicht unter dem Titel „Schmähkritik“ mit einer Vielzahl von persönlich beleidigenden Elementen gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Wegen dieses „Schmähgedichts“ hat der türkische Präsident Strafanzeige wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gegen Herrn Böhmermann gestellt. Dieses Strafverfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann wurde eingestellt, eine dagegen gerichtet Beschwerde des türkischen Präsidenten hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz verworfen.
Gleichzeitig hat der türkische Präsident vor dem Landgericht Hamburg zivilrechtliche Verfahren mit dem Ziel des Verbotes dieses „Schmähgedichts“, also Unterlassungsverfahren wegen Ehrverletzung eingeleitet.
Das Hamburger Landgericht hat einige Passagen dieses „Gedichts“ namens „Schmähkritik“ wegen des schmähenden und ehrverletzenden Inhalts für unzulässig gehalten und im Wege der einstweiligen Verfügung die weitere Verbreitung dieser Passagen verboten (Az.: 324 O 255/16).
Das Gericht hat damals ausgeurteilt, dass zwischen Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit des Satirikers Böhmermann und des ZDF und dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers – hier des türkischen Präsidenten – eine Abwägung erfolgen muss. Eine in Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde stets ihre Grenze dort, wo es sich um eine reine Schmähung handele oder die Menschwürde angetastet werde.
Die zivilrechtlichen Verfahren gehen jedoch weiter.
Etwas weniger spektakulär, jedoch rechtlich durchaus in ähnlichen Fahrwassern verlief ein Verfahren von zwei Journalisten der Zeitschrift „Die Zeit“, die ihrerseits in einem satirischen Beitrag der Fernsehsendung „Die Anstalt“ vorkamen, in welchem die Verbindung dieser beiden Journalisten mit diversen Lobbyorganisationen dargestellt wurden. Durch Zeichnen von verschiedenen Verbindungslinien zwischen diesen Journalisten und verschiedenen Organisationen wurde auf lustige, gleichwohl mit ernstem Hintergrund versehene Weise in der Sendung „Die Anstalt“ die Verbindung dieser Journalisten mit den Lobbyorganisationen kritisiert.
Dabei ist unstreitig, dass diese Journalisten tatsächlich durchaus mit diesen Organisationen in Verbindung zu bringen sind. Die genaue Art und Weise der Verknüpfung und insbesondere ob die aufgezeigten konkreten Verbindungen, wie sie in der Satiresendung „Die Anstalt“ aufgezeigt wurden wirklich wie dargestellt bestehen, blieben jedoch umstritten.
Gegen dieses Urteil ist das ZDF in Revision vor dem Bundesgerichtshof gegangen, der somit über das Verbot endgültig zu entscheiden hatte.
Das ZDF durfte also und darf nunmehr wieder diese Sendung vollständig ausstrahlen.
Der BGH begründet dies in der veröffentlichten Pressemitteilung wie folgt:
„Die vom Senat zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt, weil das Berufungsgericht den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen hat. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden können. Zur Erfassung des Aussagegehalts muss eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen sind. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrages sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist in dem Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage ist zu treffen.“
Der Bundesgerichtshof stellt also zusammengefasst darauf ab, dass bei einer Äußerung im satirischen Zusammenhang zu beachten ist, was eigentlich mit dieser Äußerung tatsächlich konkret ausgesagt werden soll.
Der Entscheidung des BGH könnten ganz wesentliche Hinweise in Richtung des noch laufenden Verfahrens der Auseinandersetzung zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem Satiriker Jan Böhmermann bzw. dem ausstrahlenden Sender ZDF zu entnehmen sein.
Zu beachten werden die Gerichte nämlich die Hinweise darauf haben, dass dieses „Schmähgedicht“ gar nicht für sich stand und nicht als solches ernstzunehmende Beleidigungen enthielt, obwohl diese Beleidigungen tatsächlich in dem Gedicht geäußert wurden.
Das Gedicht war nämlich satirisch in einem Dialog eingekleidet, in welchen einleitend mit dem Satz:
Nach diesem einleitenden Scheindialog und einer Reihe von Auseinandersetzungen mit dem Thema Schmähkritik kommt dann unter der Einleitung:
„Ist vielleicht ein bisschen kompliziert – Vielleicht erklären wir es an einem praktischen Beispiel einmal ganz kurz …
Ich habe ein Gedicht, das heißt „Schmähkritik“. Können wir vielleicht dazu so eine türkisch angehauchte Version von dem Nena Song haben? Einfach nur …. und können wir vielleicht ganz kurz nur die türkische Flagge … im Hintergrund, bei mir? Sehr gut. Also, das Gedicht. Und das ist jetzt, was jetzt kommt, dass darf man nicht machen.
Wenn das öffentlich aufgeführt wird, dass wäre in Deutschland verboten und da könnte man dann ….“
Danach kommt dann dieses in der Tat mit einer Vielzahl von überzeichneten Beleidigungen angefüllte „Gedicht“ namens „Schmähkritik“.
Der den Gesamtbeitrag wahrnehmende Zuschauer wird also nicht nur den Bezug zum Vorgehen des türkischen Präsidenten gegen das Lied der „Heute Show“ und sein generelles Vorgehen gegen kritische Medien erkennen, sondern zugleich, dass hier ein Unterschied dargestellt wird, zwischen diesem tatsächlich vergleichsweise harmlosen und sich im Wesentlichen mit der Amtsführung des Präsidenten befassenden Liedes, der „Heute Show“ und dem dagegen ausschließlich persönliche, massiv überzeichnete, Beleidigungen enthaltende „Gedicht Schmähkritik“
Der konkrete Sinnzusammenhang nach der vom BGH geforderten „satirischen Entkleidung“ und der massiven „der Satire eigenen“ Überzeichnung, ergibt für den durchschnittlichen Zuschauer des gesamten Beitrages gerade nicht, dass der Satiriker Jan Böhmermann diese persönliche Beleidigungen in irgendeiner Art und Weise ernstzunehmend auf die Person des Herrn Recep Tayyip Erdogan gemünzt hat. Vielmehr dient die Überzeichnung gerade satirisch als Mittel, den Unterschied zwischen einer zulässigen Meinungsäußerung und einer unzulässigen Meinungsäußerung aufzuzeigen.
Betrachtet man dies vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 10.01.2017, so wird zu entscheiden sein, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer in diesem Gesamtbeitrag ankommt.
Nach meiner Meinung lässt sich diesem Sendebeitrag im Kern seines Sinngehalts lediglich die Aussage entnehmen, dass es einen Unterschied zwischen einer zulässigen und einer unzulässigen Meinungsäußerung gibt und dass dieser Unterschied durch ein Beispiel dargestellt wird.
Dass dieses Beispiel tatsächlich ein hervorragend geeignetes Beispiel der Unterscheidung war, lässt sich aus der Reaktion von Politik, Medien und der breiten Diskussion des Themas Persönlichkeitsrechte in der Bevölkerung nach den betroffenen Ereignissen und der Ausstrahlung der Sendung entnehmen.
Die Gerichte werden zu entscheiden haben, ob die tatsächliche Botschaft bei einem unvoreingenommenen verständigen Zuschauer angekommen ist, oder aber der – völlig eindeutig – beleidigende Inhalt des satirisch eingekleideten Gedichtes Grundlage der Entscheidung zu sein hat.
Angesichts der Urteile vom 10.01.2017 in Sache „Die Anstalt“ wird man um eine sehr differenzierte Auseinandersetzung, auch mit den einleitenden Worten und der daraus erzielten Wirkung – nämlich die beispielhafte, wenn auch krasse Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Elementen – in Sachen Erdogan gegen Böhmermann nicht umhinkommen.
* Das Lied habe ich zunächst versehentlich der vom Ostwestfalen Oliver Welke moderierten „Heute Show“ im ZDF zugeschrieben, einer erfolgreichen Satiresendung, die regelmäßig freitags abends ausgestrahlt wird. Die „Heute Show“ hat auch viele gute Beiträge zum türkischen Präsidenten kreiert. Dieses Lied aber nicht, das hatte ich falsch in Erinnerung.