Das OLG Hamm hat am 13.04.2018 diesen Jahres ein wichtiges Urteil für Verkehrsbetriebe gefällt. In der Sache ging es um eine Kollision zwischen einer Straßenbahn und einem Pkw. Der Pkw-Fahrer hatte beabsichtigt, einen U-Turn (vom OLG auch Chicago-Wende genannt) über zwei Straßenbahnschienen zu machen. Zum Unfallzeitpunkt handelte es sich nach wohl nicht zu bestreitenden Umständen um eine besonders gefahrträchtige Unfallstelle im Zusammenhang mit dem Schienenverkehr. Aufgrund mehrerer Unfälle an dieser Stelle haben die Straßenverkehrsbehörden – leider zeitlich nach dem zu verhandelnden Unfall – substantielle Änderungen an der dortigen Verkehrsregelung gemacht.
Verkehrssicherungspflicht des Bahnunternehmens?
Die Gefahr der Gefahrenbremsung
Das OLG Hamm hat im Rahmen einer Verschuldensprüfung des Straßenbahnfahrers weiter umfangreiche Ausführungen zum Erfordernis einer sogenannten Gefahrenbremsung gemacht. Unter einer solchen versteht man die Not- oder Vollbremsung durch aktives Einwirken auf die Schienenräder. U.a. wird vor diese Sand gestreut.
Das OLG hat die Gefahr einer solchen Gefahrenbremsung für die Fahrgäste in seine Abwägung miteinbezogen. Dabei erkennt es, dass eine Gefahrenbremsung häufig zu gefährlichen Stürzen und Verletzungen der Fahrgäste führt. Grundsätzlich habe – so das OLG – die Straßenbahn daher Vorrang, worauf der Straßenbahnführer auch vertrauen könne.
Letzter Halt: Betriebsgefahr?
Dem klägerischen Pkw-Fahrer blieb zuletzt somit nur noch das Berufen auf die sogenannte Betriebsgefahr, da ein Verschulden weder des Straßenbahnunternehmens noch des Straßenbahnfahrers nachweisbar war. Diese sogenannte Betriebsgefahr ist bei einer Straßenbahn wegen ihrer Schienengebundenheit, des längeren Bremswegs und der größeren Aufprallwucht auch regelmäßig und gegenüber der allgemeinen Betriebsgefahr, z.B. eines Pkws, deutlich erhöht. Das OLG musste daher die Verursachungsbeiträge des Pkw-Fahrers gegenüber dieser allgemeinen Betriebsgefahr der Straßenbahn sorgfältig abwägen.
Insofern kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Pkw-Fahrer eine sogenannte Todsünde im Straßenverkehr (§ 9 Abs. 1 bis 5 StVO) begangen habe. Das OLG spricht in seiner Urteilsbegründung von äußerst wichtigen, verkehrsrechtlichen Kardinalpflichten. § 9 Abs. 5 StVO postuliert insofern, dass bei einem Wenden (und davon ist hier nach dem OLG auszugehen) die Verhaltensanforderungen besonders hoch seien. Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer müsse unbedingt ausgeschlossen werden. Der klägerische Pkw-Fahrer hätte also davon Abstand nehmen müssen, auf die Gleise zu fahren.
Das ausführlich begründete Urteil des OLG Hamm zeigt die besonderen Probleme bei Straßenverkehrsunfällen mit Straßenbahnen auf. Die besondere Gefährlichkeit der Schienengebundenheit einer Straßenbahn führt zu einer gesteigerten Sorgfaltsanforderung sämtlicher Verkehrsteilnehmer. Nicht selten haben Kollisionen mit Straßenbahnen erhebliche Sachschäden und gefährliche Verletzungen zur Folge. Dies kann nur ausgeschlossen werden, wenn beim Befahren der Straßenbahnschienen durch andere Verkehrsteilnehmer äußerste Vorsicht angewandt wird.
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