Beschlüsse über bauliche Veränderungen durch eine Eigentümergemeinschaft müssen mit der qualifizierten Mehrheit des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG getroffen werden. Das heißt: Jeder Eigentümer muss zustimmen, der von der beabsichtigten Maßnahme auf die eine oder andere Weise betroffen ist. Regelmäßig bedeutet dies eine Allzustimmigkeit.
Veränderung der Optik = bauliche Veränderung
Die Zusammenfassung von mehreren Gemeinschaftsräumen, z.B. im Keller, ist eine solche bauliche Veränderung. Gleiches gilt natürlich auch für den Anbau eines Balkones oder die Errichtung eines Wintergartens. Denn solche Maßnahmen wirken sich eigentlich immer auf den optischen Gesamteindruck der Eigentumsanlage aus. Insofern ist nach ständiger Rechtsprechung entscheidend, ob sich die Veränderung des optischen Gesamtbildes bemerkbar, also vom Standort der Miteigentümer oder auch eines Dritten sichtbar ist. Eine Ausnahme also keine zustimmungspflichtige Maßnahme, kann vorliegen, wenn die Veränderung lediglich aus ganz ungewöhnlicher Perspektive (z.B. bei Veränderungen auf der nicht zugänglichen Dachfläche oder Baumaßnahmen an den rückwärtigen Gebäudeteilen) zu erkennen ist.
Letzteres hat das Amtsgericht Bielefeld in einem von unserer Kanzlei betrauten Fall angenommen (Aktenzeichen 5 C 68/12). Eigentümer hatten eigenmächtig die Außenhaut der Fassade geöffnet, um eine zusätzliche Balkontür einzubauen. Durch diese zusätzliche Balkontür sollte ihre Gartenfläche auf einfache Art und Weise erreicht werden. Da sowohl die Gartenfläche als auch der Teil der Außenfassade weder von der Straßenseite, noch von der Wohnung der Miteigentümer einsehbar war, hat das Amtsgericht Bielefeld zwar das Vorliegen einer baulichen Veränderung bejaht. Letztendlich konnten die Wohnungseigentümer diese Maßnahme allerdings ohne Zustimmung ihrer Nachbarn durchführen. Diese – so das Amtsgericht Bielefeld – waren durch die Maßnahme nicht ersichtlich beeinträchtigt.
Vorsicht mit der Axt im Walde!
Mit dieser Entscheidung befindet sich das Amtsgericht Bielefeld in guter Gesellschaft. In einem vom Amtsgericht Hamburg-Blankenese vorgelegten Urteil war über zwei Kiefern zu entscheiden. Diese waren nach einem Gemeinschaftsbeschluss zu fällen. Gegen diesen Beschluss hatten sich wenige Eigentümer gewandt und obsiegten vor dem Amtsgericht mit ihrer Anfechtungsklage. Die zwei Kiefern seien gezielt vom Architekten als Gartengestalter geplant und gepflanzt, sowie in den danach folgenden Jahren gepflegt worden. Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese führt weiter aus, dass eine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung lediglich bei üblichen Gartepflegearbeiten (etwa Rasenmähen, Baumschnitt und -auslichtung) nicht vorläge.
Beschlüsse sorgfältig vorbereiten!
Die Eigentümer sollten bei Beschlüssen über vorzunehmende Gartenarbeiten die Rechtsprechung zur baulichen Veränderung beachten. Der Verwalter als Versammlungsleiter muss vor Durchführung der Abstimmung feststellen und den Eigentümern gegenüber bekannt geben, welche Mehrheit für eine positive Beschlussfassung erforderlich ist. Bei Beschlüssen, die über die regelmäßig durchzuführenden Pflegemaßnahmen hinaus gehen, wird fast immer eine Allzustimmigkeit erforderlich sein. Dies gilt nach den zwei oben näher umschriebenen Urteilen insbesondere für Baumfällarbeiten.